Peter Kurzeck: Frankfurt - Paris - Frankfurt

Das Ende des "alten Jahrhunderts"
„Mit Frankfurt – Paris – Frankfurt“ ist nun der letzte (vorhandene) Band von Peter Kurzecks autobiografischem Romanzyklus „Das alte Jahrhundert“ erschienen. Es ist das vierte posthum publizierte Buch des 2013 verstorbenen Autors.
Inhalt
1977 ziehen Peter und seine Freundin Sibylle von Stauffenberg (bei Gießen) in den Frankfurter Stadtteil Bockenheim. Der Hauptgrund dafür scheint ein Kontakt zum Suhrkamp-Verlag zu sein, der seinen Sitz damals im nahegelegenen Westend hatte. Ein dort tätiger Lektor hatte Interesse an Kurzecks erstem Roman bekundet und nun bringt der Autor ihm alle paar Tage frisch getippte Seiten vorbei – eine aus heutiger Sicht ja unvorstellbare Arbeitsweise. (Noch unglaublicher wirkt, wie es zu der ersten Begegnung von Kurzeck und dem Lektor kam: Anscheinend gewährte dieser dem seinerzeit völlig unbekannten Schriftsteller eine Audienz in den Verlagsräumen, ohne vorab auch nur eine Zeile von ihm gelesen zu haben. Ach, die Siebziger ...)
In Frankfurt steht Peter in engem Kontakt mit seinem Freund Jürgen, der die Stadt allerdings schon bald fluchtartig in Richtung Paris verlässt. Peter, Sibylle und Jürgens Freundin Doris reisen ihm hinterher und verbringen gemeinsam einige rauschhafte Tage in der „ville de l’ amour“. Doch offenbar ist auch Paris für Jürgen kein sicherer Aufenthaltsort: Er flieht weiter nach Spanien, während die anderen nach Deutschland zurückkehren. Hier widmet sich Kurzeck erneut der Reinschrift seines Manuskripts und entdeckt Frankfurt.
Vergleich mit den anderen Bänden
In der vorliegenden Form halte ich „Frankfurt – Paris – Frankfurt“ für den schwächsten Band des „Alten Jahrhunderts“: Die Sprache empfinde ich als weniger temporeich und rhythmisch, als insgesamt weniger rund. Inhaltlich wirkt manches nicht ausgeformt: Zum Beispiel scheint Paris im Wesentlichen aus Essen, Trinken und Ortsnamen zu bestehen und es bleibt völlig im Dunkeln, warum Jürgen in Frankfurt der Boden unter den Füßen zu heiß wird. Dass dies vermutlich etwas mit seinen wie auch immer gearteten RAF-Kontakten zu tun hat, kann man sich eigentlich nur dann zusammenreimen, wenn man relativ viel über den sogenannten Deutschen Herbst bzw. die Vita des Verfassers weiß.
Für das Obengesagte habe ich zwei Erklärungen: Erstens hätte Kurzeck den Text vor einer Veröffentlichung sicher noch überarbeitet (was aber auch im Hinblick auf die anderen nachgelassenen Werke anzunehmen ist). Zweitens war der spezifische „Alte Jahrhundert“-Stil zum Zeitpunkt der Niederschrift möglicherweise noch nicht zur Blüte gelangt. Man muss bedenken, dass „Frankfurt – Paris – Frankfurt“ laut Editionsbericht zu einem sehr frühen Zeitpunkt entstand (1992-95), die Arbeit an den übrigen Bänden sich dagegen über die zwei Jahrzehnte danach erstreckte. Der Autor legte das Typoskript des „Parisbuchs“ 1995 beiseite, denn er war mittlerweile der Ansicht, es müsse innerhalb der geplanten Romanreihe weiter nach hinten rücken.
Intensive Leseerfahrung
Obwohl also andere Bände der autobiografisch-poetischen „Chronik“ gelungener sein mögen, ist auch dieses Buch wieder ein Geschenk: lebensvoll, gleichsam lichtdurchtränkt, eine intensive Leseerfahrung. Für Kenner des Kurzeck-Universums ist überdies spannend, dass die Handlung in den Siebzigern spielt – während ansonsten große Teile des „Alten Jahrhunderts“ innerhalb weniger Monate der Jahre 1983 und 1984 angesiedelt sind: „Frankfurt – Paris – Frankfurt“ erhält dadurch ein spürbar anderes Aroma.






