Essay Peter Kurzeck

Arno Dahmer • Juni 15, 2022
Werke von Peter Kurzeck (1943-2013)

Da sich die Webadresse geändert hat, setze ich hier noch einmal einen Link zu meinem Essay über den von mir sehr geschätzten Peter Kurzeck (1943-2013). Der Text wurde 2018 auf der Seite „Faust-Kultur“ publiziert und es geht darin um das eigenartige Verhältnis zwischen dem Leser und dem Verfasser (unmittelbar) autobiografischer Literatur.


Nachtrag vom 16. Februar 2024: Mittlerweile existiert das Faust-Kultur-Archiv offenbar nicht mehr. Damit der Text weiterhin verfügbar bleibt, stelle ich ihn hier ein (siehe unten).


Wohin mit der Zukunft? – Eine Begegnung mit dem „Frankfurter“ Dichter Peter Kurzeck[1]

 

Anfang 2014, in einem kurzeckschen Nachwinter, fahre ich mit der Linie U5 stadtauswärts. Alle Augenblicke hält die Bahn an einer der dicht aufeinanderfolgenden Stationen – hier, außerhalb des Zentrums, durchweg oberirdisch gelegen; draußen ist es dunkel. Ich vertiefe mich in „Vorabend“, Kurzecks umfangreichsten Roman. – Ich hatte das Buch 2013 zu lesen begonnen, es zwischenzeitlich aber in die Bibliothek zurückbringen und erneut ausleihen müssen.


Zahllose Male bin ich diese Strecke gefahren, könnte die Namen der Haltestellen hersagen wie ein Gedicht. Dass wir die Station Hauptfriedhof erreichen, bemerke ich, ohne aufzublicken. Da reißt mich der Gedanke aus meiner Lektüre, dass der Autor, dessen Stimme zu hören ich mir einbilde, diese Welt bereits verlassen hat, im November des Vorjahres, und einen Steinwurf entfernt begraben liegt – Gewann F. Als Leser seiner autobiografischen Romane meinte ich ihn zu kennen. Eine Illusion, natürlich.


Möglichkeiten, die reale Person kennenzulernen, hätte es allerdings gegeben; über den weiteren Bekanntenkreis; bei den Lesungen Kurzecks, die ich jedoch immer wieder versäumte; und schließlich eines Nachmittags in der U-Bahn-Station Südbahnhof, wo der leibhaftige Kurzeck für mich im Wortsinn zum Greifen nah gewesen ist.


Ich erkannte ihn sofort, hatte ja Fotos von ihm gesehen.

Er musste mit mir aus dem Zug gestiegen sein, lief jetzt schräg vor mir und entsprach ganz meinem inneren Bild. Insbesondere der bedächtigen Gangart glaubte ich mich gleichsam zu entsinnen. Einen Notizzettel würde er im nächsten Moment aus der Tasche ziehen, wähnte ich, einen seiner oft verb-, manchmal subjektlosen Sätze darauf schreiben: Wollen uns Zeit lassen!, zum Beispiel.


Nachdem ich ihm eine Weile gefolgt war, mit einem Gefühl von Ungehörigkeit, überholte ich ihn, in einem weiten Bogen – gerade so, als könnte er mich seinerseits erkennen. Warum? War es die Angst, enttäuscht zu werden oder selbst zu enttäuschen? Oder vor allem der Wunsch, er solle literarische Figur bleiben, aber irgendwie doch mehr als das, nämlich eine, die man ab und an durch Frankfurt wandeln sieht?


Nun, in der Linie U5, bedenke ich diese verpassten Gelegenheiten und habe den Eindruck einer seltsamen Korrespondenz: zwischen der Tatsache, dass von der Zukunft in dieser Hinsicht nichts mehr zu erwarten, ein Kennenlernen ein für alle Mal ausgeschlossen ist, und der Rolle der Zukunft in Kurzecks Werken. Denn seine Romane atmen Gegenwart; genau genommen Gegenwart und Vergangenheit, die zu einem ewigen Augenblick verschmelzen: Als ob dein Leben ein einziger langer Tag. Dagegen kommt die Zukunft darin, scheint mir, nur als etwas Irreales oder Surreales vor – nichts jedenfalls, worauf man allzu große Hoffnungen setzen dürfte. Ein letzter Rest Geld wird als „Zukunft“ bezeichnet (Und der Umschlag [mit dem Geld] wohin? Wohin mit der Zukunft?), an anderer Stelle sogar ein in zehn-zwanzig Jahren zu erwartender Herzklappenfehler. Oder der Erzähler rät sich selbst, die Vergangenheit mangels Perspektiven als Zukunftssurrogat zu nutzen: Eine Vergangenheit als Zukunft?


Und die Schilderung der persönlichen Wirren Kurzecks nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin (in den ersten Bänden des „Alten Jahrhunderts“[2]) endet zwar hoffnungsvoll mit dem Bild des Kirschkerns, der den Winter unter einer Schicht von Eis und Schnee überdauert hat; doch scheint die Vergangenheit, einmal gebannt ins immerwährende Jetzt des Erzählens, so letztinstanzlich abgeschlossen, dass schwer vorstellbar ist, wie eine Zukunft daran anschließen sollte: Sie lässt sich hier eigentlich nur in Form einiger weißer Seiten denken. Als werde der Kirschkern für alle Zeit Metapher bleiben und keine Frucht mehr bringen.


Die U-Bahn fährt weiter durch die Dunkelheit, Neuer Jüdischer Friedhof, Eckenheimer Landstraße/Marbachweg, Marbachweg/Sozialzentrum, Gießener Straße. Hier auf meinen Knien das Buch; im Erdreich dort draußen der tote Körper. Und, denke ich, vielleicht am Ende wird auch der Tod sich uns nur als Spuk? Ein spukhafter Wahn. Wie Fortschritt und Zeit und Geld. – Und lese dann wieder.

 
[1] Peter Kurzeck (1943-2013) lebte ab 1977 in Frankfurt/M., wo auch die meisten seiner Romane spielen. – Die kursiv gesetzten Passagen sind den folgenden, beim Stroemfeld Verlag in Frankfurt erschienenen Werken entnommen: Übers Eis, 2., korr. Aufl., 2011; Als Gast, 2003; Ein Kirschkern im März, 2004. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Stroemfeld Verlags.

 

[2] Den Romanzyklus "Das alte Jahrhundert" hatte Kurzeck auf zwölf Bände angelegt. Erschienen sind davon sechs - fünf zu Lebzeiten und einer posthum.

 

von Arno Dahmer 06 März, 2024
Eines der interessantesten Bücher, die ich in der letzten Zeit gelesen habe, ist „Franziska Linkerhand“ von Brigitte Reimann. Die Qualität dieses Romans hat mich regelrecht verblüfft, denn das Buch erschien bereits 1974 und bis vor kurzem kannte ich nicht einmal den Namen der Autorin – was damit zu tun haben könnte, dass ich in Westdeutschland aufgewachsen bin. „Franziska Linkerhand“ erzählt von einer jungen Architektin, die mit ihrem Ideal eines menschenwürdigen Städtebaus an den Realitäten des DDR-Systems scheitert. Vieles daran hat mich fasziniert: Die melodische Sprache, die packenden Dialoge, der innere Konflikt der Hauptfigur, die den Realsozialismus einerseits bejaht (was zum Teil eine Rebellion gegen ihr bourgeoises Elternhaus zu sein scheint), andererseits kritisch sieht, und vor allem eine Figurenzeichnung, die in der neueren deutschen Literatur ihresgleichen sucht. Genial ist etwa das Porträt des sympathischen „Don Juans“ Jazwauk oder auch, wie der prinzipientreue Vorgesetzte Schafheutlin charakterisiert wird (allein der Name!). Lediglich die Figur Trojanowicz (Franziskas „Amour fou“) fand ich in ihrer James-Bond-Coolness etwas klischeehaft. (Mag sein, dass es hier eher eine bestimmte Art gestriger Männlichkeit ist, die – in tendenziell verherrlichender Weise dargestellt – aus heutiger Sicht schablonenhaft wirkt, wenigstens auf mich.) Interessant fand ich auch die „DDR-Binnenperspektive“, die das Buch natürlich spürbar von nach dem Mauerfall geschriebenen literarischen Werken mit DDR-Thematik unterscheidet. Einschränkend muss ich sagen, dass der Impuls, das Buch weiterzulesen, bei mir nach etwa zwei Dritteln nachließ. Ich fragte mich, worauf das Ganze hinauslaufen solle. Zwar kann man der Autorin gewisse dramaturgische Mängel nicht anlasten: Sie starb schon 1973, das Werk blieb unvollendet. Indes ging es mir mit „Franziska Linkerhand“ ähnlich wie mit den Romanen Kafkas (die ja alle Fragmente sind): Sie haben mich tief beeindruckt und doch konnte ich mir kaum vorstellen, wie sich diesen Torsi ein befriedigendes Ende anfügen ließe. Dennoch: Wenn ich eine Liste mit zwanzig lesenswerten, nach 1945 erschienenen Romanen in deutscher Sprache erstellen sollte, fände „Franziska Linkerhand“ darauf sicher einen Platz.
Alte und neue Recherchematerialien
von Arno Dahmer 13 Feb., 2024
Ein neues Jahr hat begonnen und während 2023 geprägt war von allerlei Aktivitäten rund um den „Mythos“ , merke ich nun, wie der Schwerpunkt sich langsam auf die Arbeit an meinem neuen Roman verlagert. Zwar habe ich vor, 2024 noch einiges „Mythische“ zu tun, möchte andererseits aber auch das neue Buch fertigschreiben. Ja, zu Ende schreiben . (Und, um mir selbst ein bisschen Druck zu machen, teile ich diesen Entschluss jetzt öffentlich mit.) Mein Weg wird mich 2024 daher voraussichtlich sogar noch mehrere Male in die Fränkische Schweiz führen, an den Hauptschauplatz des Romans also. Das Sportklettern spielt darin eine wichtige Rolle (Felsklettern auf eher hohem Schwierigkeitsniveau, vor allem in Mittelgebirgen), insbesondere das Ideal eines einfachen und alternativen Lebens, das zumindest bis vor einiger Zeit noch eng damit verknüpft war – eine gewisse Hippie- und Aussteigerromantik, wenn man so will. Dies mag schon zeigen, dass ich nicht beabsichtige, ein „Sportbuch“ zu schreiben (was nicht verkehrt wäre), auch wenn Kletterer darin sicher manches wiedererkennen werden. Vielmehr kristallisiert sich „Freundschaft“ als eigentliches Thema heraus. Es geht mir dabei um die Freundschaften, die man in der frühen Jugend schließt – sagen wir: mit etwa zwanzig. In dieser Lebensphase wird Freundschaft ja sehr intensiv erlebt – ich wage es, zu verallgemeinern – und ist gerade deshalb auch mit zahlreichen Enttäuschungen und Verletzungen verbunden. In vieler Hinsicht wird der neue Roman ein „Anti- Mythos “ sein (Perspektive, Thematik, Ton, Alter der Hauptfigur, ...). Stände ich bei einer Literaturagentur unter Vertrag, würde man nun womöglich befürchten, dass ich meine „Zielgruppe“ düpiere. Da ich aber annehme, dass meine Zielgruppe schlicht Leser sind, die gut geschriebene Texte mögen, und gleichzeitig wenigstens hoffe, dieser „Vorliebe“ gerecht zu werden, mache ich mir nicht so viele Sorgen.
Stefan George, Aus dem Nachlass
von Arno Dahmer 08 Jan., 2024
„Das ist eben die aufgabe die weite des innern raumes mit der enge des äussern ständig zu vereinbaren.“ Aphorismus aus dem Nachlass Stefan Georges (Stefan George, „Von Kultur und Göttern reden“, Aus dem Nachlass , Stuttgart 2018; S. 77)
Arno Dahmer liest auf der Leipziger Buchmesse 2017
von Arno Dahmer 28 Okt., 2023
Mehr als sechs Jahre ist es nun her, dass ich im Rahmen der Leipziger Buchmesse meinen Erzählband Manchmal eine Stunde, da bist Du vorstellte ... Die Lesung fand im Café Puschkin statt.
Autorengruppe
von Arno Dahmer 27 Okt., 2023
Leider ist Walter Jauernich , der großartige Schauspieler und Autor, bereits 2019 gestorben, was mir immer noch sehr nachgeht ...
Beigbeder: 39,90
von Arno Dahmer 03 Juli, 2023
Dieses Buch erschien vor mehr als zwanzig Jahren (was man unter anderem daran merkt, dass die schwerreiche Hauptfigur eine Stereoanlage mit „6fach-CD-Wechsler“ und, aus heutiger Sicht besonders witzig, ein Handy „mit integriertem Faxmodem“ besitzt …). Ich würde „Neununddreißigneunzig“ dem Genre der „Ho-ho-wie-krass-Literatur“ à la Houellebecq zuordnen (der Beigbeder, laut Wikipedia , „aufgefordert“ haben soll, dieses Buch zu schreiben – und zudem darin zitiert sowie in der Danksagung erwähnt wird). Nichtsdestoweniger ist es ein passagenweise brillantes Werk. Der Werber Octave Parango hasst seine Berufstätigkeit, sieht in der Werbung eine satanische Macht, die für nahezu alles Böse in der Welt verantwortlich ist. Dennoch scheint er sich von seinem Job letztlich nicht lösen zu können. Das Ende ist düster. Ausgehend von diesem einen Buch – das heißt, ohne seine anderen Werke zu kennen – würde ich sagen, Beigbeder ist mehr Essayist bzw. Texter als Romancier. Die stärksten Abschnitte von „Neununddreißigneunzig“ sind die Reflexionen über die Welt der Werbung und die in den Text eingestreuten Beschreibungen (hoffentlich) fiktiver Werbespots. Besonders bei Letzteren zeigt sich der Autor als Meister des schwarzen Humors (ein Humor, der, in der Beigbeder’schen Ausprägung, allerdings nicht ganz leicht erträglich ist). Das literarische Personal und die Schauplätze bleiben dagegen eher blass. Die Charaktere wirken zum Teil auch unglaubwürdig: Die Prostituierte Tamara, die wichtigste weibliche Figur, präsentiert sich dem Leser in einer Szene ungefähr in der Mitte des Buches als sensibel und verletzlich, nur um wenige Seiten später eine Rentnerin mit einem Judogriff aufs Kreuz zu legen. Auch dass Parango nach seinem sozialen Abstieg mit einem Mal von Vaterschaft träumt (zuvor hat er seine Freundin verstoßen, weil sie schwanger war), kauft man dem Erzähler nicht so recht ab. Es ist zwar psychologisch nicht völlig unwahrscheinlich, wirkt aber doch aufgesetzt und wie der Versuch, dem Roman durch eine Art Läuterung des Protagonisten eine Abrundung zu geben. Trotz dieser Schwächen finde ich „Neununddreißigneunzig“ lesenswert als gelungene – wenngleich natürlich sarkastisch überspitzte – Kapitalismuskritik. Es ist indes mit Sicherheit kein Buch, dass den Leser mit einem guten Gefühl entlässt. Hier mag man einwenden, dass dies kein literarisches Kriterium und auch bei zahllosen Werken der Weltliteratur der Fall sei. Das stimmt. Ich kenne jedoch kaum einen nihilistischeren Text als diesen Roman. Die „Moral“ des Buches ließe sich in etwa wie folgt zusammenfassen: „Egal, was du tust, du wirst verzweifeln und dann wahrscheinlich Selbstmord begehen (was angesichts des Zustands dieser Welt ohnehin das Beste ist).“
Arno Dahmer auf dem Literaturfest Meißen
von Arno Dahmer 15 Juni, 2023
„Hof“ klingt für mich irgendwie nach Abgeschiedenheit und Menschenleere – was zu meinem Text in gewisser Weise gepasst hätte, zu einer Lesung allerdings eher nicht. Doch war der Innenhof der „Landbäckerei Krell“ zum Glück gut besucht, als ich dort aus meinem Roman vortrug – vergangenen Samstag, im Rahmen des Literaturfests Meißen . Nach einem Abstecher zum Stand des Mirabilis-Verlags auf dem Heinrichsplatz steuerte ich später noch – mit zwei Dritteln des kul-ja -Teams (und einigen Mirabilis-Neuerscheinungen im Gepäck) – einen anderen keineswegs menschenleeren Hof an, den „Brunnenhof“, um die Lesung meines Verlagskollegen Jörn Hühnerbein zu hören. Der besondere Reiz von Jörn Hühnerbeins Prosastücken besteht aus meiner Sicht in dem Kontrast zwischen einem äußerst nüchternen Ton und der vollkommenen Absurdität des Beschriebenen – so etwa in der Miniatur „Im Kühlschrank“, wo ein Mann sich den eigenen Kühlschrank zum neuen Wohnsitz erkoren hat.
von Arno Dahmer 18 Mai, 2023
„Wenn Gott die Geschichte des Universums erzählen könnte, würde das Universum zu einer Fiktion werden.“ Quellennachweis: E. M. Forster, Ansichten des Romans, Frankfurt am Main 1962; S. 64.  „Ansichten des Romans“ („Aspects of the Novel“) ist ein Werk, das in der englischsprachigen „Creative Writing“-Literatur häufig zitiert wird. Es handelt sich dabei um Vorlesungen, die der Romancier E. M. Forster (1879-1970) 1927 in Cambridge hielt.
Gesellschaftliche Relevanz
von Arno Dahmer 19 Apr., 2023
Die aus meiner Sicht furchtbarsten Prädikate für einen literarischen Text: „wichtig“ („Die zehn wichtigsten Neuerscheinungen dieses Frühjahrs …“) und „gesellschaftlich relevant“ …
Druckfahnen Roman
von Arno Dahmer 22 Feb., 2023
Heute schickte mir mein Lektor Stephan Herbst die Druckfahnen des Romans Ein Mythos von mir . Damit ist für mich das Ziel einer langen – sehr langen! – Reise erreicht. Sie begann im Jahr 2012. Während eines Urlaubs im Hochtaunus kam mir der Gedanke, an einem solchen – auf den ersten Blick „ereignisarmen“ – Schauplatz eine ereignisreiche Geschichte anzusiedeln (für den Roman habe ich letztlich einen Handlungsort erfunden, der aber eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Taunus hat). Dazu gesellte sich rasch die Idee, dass die Hauptfigur ein, möglichst skurriler, Kursleiter in der Erwachsenenbildung sein sollte. Mich reizte es zudem, Stoff zu verwerten, den ich aus meiner eigenen, langjährigen Tätigkeit als Dozent für Deutsch als Fremdsprache destilliert hatte. Dieser „Stoff“ findet sich im Roman in einer auf die Figur zugeschnittenen, stark überspitzten Form wieder. Es möge nun niemand darauf verfallen, dass Deutschkurse tatsächlich so abliefen, wie im Roman beschrieben: Die entsprechenden Szenen sind realistisch und (wie ich hoffe) stimmig, sofern man sie auf die „Realität“ des Romans bezieht, nicht aber (wie ich ebenfalls hoffe) im Hinblick auf die Wirklichkeit außerhalb desselben. Mittlerweile scheint mir übrigens, dass ich nicht nur einen philosophischen und satirischen Roman, sondern auch einen Ghosting -Roman geschrieben habe, obwohl ich das Wort bis vor kurzem nicht kannte und das entsprechende Phänomen auch nicht unbedingt für zeittypisch gehalten hätte. Regelrecht faszinierend finde ich, dass der Begriff offenbar exakt zu dem Zeitpunkt im deutschen Sprachraum aufgetaucht ist, zu dem ich mir die ersten Notizen zu meinem Roman machte (siehe Grafik ). Beim Schreiben fühlte ich mich Lichtjahre vom Zeitgeist entfernt, aber, wie man sieht, war ich ihm womöglich näher, als ich glaubte. Und das ist nun wiederum interessant in Bezug auf ein anderes, zentrales Thema des Romans, nämlich die Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit des Einzelnen von der Gesellschaft …
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